Schöne Aussichten, ein Horrorszenario für die Zukunft?

Am Wochenende hatte Otto Besuch aus Amerika, ein früherer Kletterkamerad seines Bruders, der seit über zwanzig Jahren in den Staaten lebt, war nach Deutschland gekommen. Die beiden waren sich sofort einig, am Sonntag fahren wir ins „Däle“.

„S´Glädderglomp lasse mer aber drhoim, s´roicht, wenn mer ebber zom schwätze fended.“
Gesagt getan, sie stiegen ins Auto und fuhren los.
Kurz hinter dem Knopfmacherfelsen erhebt sich ein Stahlgerüst über die Strasse und Harald fragte:
„Was ischt denn des für en Scheiss, des verschandelt jo älles“.
„Des ischt d´Erfassungsstation für sellen Naturpark Donautal, des koschtet bis ge Sigmaringe extra Mautgebihr.“
Staunend hörte Harald dem Otto zu, der die aktuelle Situation im Donautal schilderte:
Nachdem nach riesigen Anfangsschwierigkeiten die Lastwagenmaut „Toll Collect“für die europäischen Autobahnen realisiert worden war, war nun der nächste logische Schritt, eine Straßenbenutzungsgebühr für Motorfahrzeuge bundesweit einzuführen und die Kraftfahrzeugsteuer abzuschaffen.
Jedes Kraftfahrzeug erhielt eine satellitenüberwachte, fälschungssichere Blackbox mit zahlreichen Funktionen. Radarfallen waren nicht mehr notwendig, Geschwindigkeitsüberschreitungen wurden automatisch registriert, die Bußgelder gleich automatisch abgebucht. Die Verkehrsunfälle gingen rapide zurück, das System hatte sich bewährt.
Nachdem in Stuttgart die CDU einer Rot-Grünen Koalition weichen musste, war es ein leichtes, für das Befahren aller Strassen im Naturpark Oberes Donautal eine Sondermaut einzuführen. Jeder, der mit einem Kraftfahrzeug unter den hässlichen Stahlbrücken durchfuhr, wurde mit 2 EURO zur Kasse gebeten, mit dem Erfolg, dass der KFZ – Verkehr rapide zurückging, die Bundesbahn jedoch, für die vielen Fahrräder, zwei Waggons pro Zug mehr brauchte. – Alles ganz im Sinne der Naturschutzbehörden und dem grünen Innenministerium in Stuttgart.
Die Felsen im Donautal lagen den Hütern der Natur besonders am Herzen.
Zwar hatten die Kletterer sich verpflichtet, nur freigegebene Touren zu besteigen und die Felsköpfe nicht zu betreten, vor allem die Wanderer und Mountainbiker waren aber nun diejenigen, die sich an keine Regelungen hielten.
Als an einem sonnigen Frühlingssonntag eine Gruppe junger Felsgeher an einem gesperrten Felsen beobachtet wurden, war ein Grund gefunden worden, scharf durchzugreifen. Aufgrund fest verankerter Regelungen, konnte das Klettern an den freigegebenen Felsen nicht gänzlich verboten werden, doch man fand eine, für die Behörden machbare und für den nicht beteiligten Steuerzahler finanziell annehmbare Alternative:
Um die gesamten Felsengruppen im Donautal wurden Maschendrahtzäune gezogen, zum Klettern freigegebene Felsen erhielten eine Durchgangspforte und einen Entwertungskasten mit Kartenleser, ähnlich wie bei Parkhäusern.
Die Karten konnten bei den Gemeindeämtern gekauft werden und hatten verschiedene Werte.
Anfangs war dies ein Riesenflop, nichts funktionierte richtig und findige Computerfreaks hatten im Nu eine Möglichkeit gefunden, die Karten zu kopieren.
Doch zwei Jahre später war die Sache perfekt.
Mit Ausgabe der neuen, multifunktionellen europäischen PICs, (Personal Identity Card) konnten alle möglichen Funktionen einprogrammiert werden. Ob Schwimmbad- oder Museumsbesuch, auch Konzerte und Theater, alles wurde per Kartenleser erfasst und abgerechnet.
Auch der Zugang zu den freigegebenen Donautalfelsen wurde einprogrammiert, die PICs waren absolut fälschungssicher.
Die Ranger und Felspaten hatten eigene Zugangscodes und erhielten so freien Zutritt, wie auch Waldarbeiter und Bergwachtmänner, es war an alles gedacht worden
Harald hatte staunend zugehört.
„Do wär ich doch ibern Zaun gschdiege, sell ischt doch sonneglar“ bruttelte er und musste sich dann sagen lassen, dass dies zu Anfang auch gemacht wurde, doch als, ähnlich wie in den Innenstädten, die satellitengesteuerte Kameraüberwachung installiert war, hatten die Kletterer resigniert und fügten sich zähneknirschend dem Zwang. Felsklettern war so teuer geworden, dass viele nur noch in den Kletterhallen zu sehen waren.
Die beiden hatten den Parkplatz unter den Schaufelsen erreicht und Harald wunderte sich, dass hier nur drei Autos und einige Fahrräder zu sehen waren. Noch mehr staunte er, dass Otto pro Stunde einen Euro in die Parkuhr werfen sollte.
„Ja send die bsoffe, selle Kletterei ka sich jo koiner me laischte,“ keuchte er.
„Nix do, zuegfahre wird, mer ganget zom Abraham, I will doch wisse, ob sich des älle so gfalle lasset.“
In Kreenheinstetten angekommen, wunderte sich Harald noch mehr. Außer einigen Einheimischen war die Gaststätte leer, keine Kletterer.
„Ja steigt do neamet me“? sagt er und schaut sich fragend um.
„Bloß no ganz wenig sends“, sagt Otto, „ond so händ die des in Schtuegert au hann welle.“

Hoffen wir, dass all das nur die Phantasie eines verregneten Sonntag – Nachmittags bleibt.