Ist Fahrtensegeln gefährlich?

Von Ende Februar bis Mitte Mai 2003 hatte ich die Gelegenheit, als Gast mit einem großen Containerschiff von Hamburg nach Südamerika und zurück zu fahren. Ich war häufig auf Brücke und informierte mich gründlichst.
Was ich früher schon vermutet hatte, fand ich hier voll bestätigt:
Ein Kleinschiff, darunter fallen natürlich auch die Segler, hat ohne einen guten Radarreflektor gegenüber der Groß – Schifffahrt ganz schlechte Karten und ich kann nur jedem empfehlen, der nicht über ein Radargerät mit Warneinrichtung verfügt, sich schnellstens einen Radarwarner anzuschaffen, also ein Gerät, das Alarm gibt, wenn sich ein Schiff nähert und man vom Aktiv – Radar erfasst wird.
Zwar hat ein unter Segel fahrendes Fahrzeug gegenüber Maschinenfahrzeugen Wegerecht, doch das war vor hundert Jahren noch berechtigt, als Segler meist keine Hilfsmaschinen hatten, doch heute gilt dies nicht mehr. Ein Segler ohne, oder mit defekter Maschine ist einwandfrei manövrierbehindert und müsste dann eben entsprechende Lichter führen.
Das was wir früher zu Zeiten von “Rhapsody” schon praktiziert hatten, war also richtig:
Wenn ein Fahrzeug in Sicht kommt, unverzüglich feststellen, ob die Peilung steht, wenn ja, sofort und deutlich den Kurs wechseln, damit überhaupt kein Nahbereich entsteht, egal, ob nun ein Segler Kurshalter ist oder nicht.
Böse Funkgespräche und entsprechende Logbucheinträge könnten so vermieden werden. Auch Großschiffe untereinander reagieren hier flexibel.
Im Pazifik kam nachts ein Containerschiff entgegen. Wir machten eine Kursänderung von 5° nach Steuerbord, vom Gegner erwarteten wir dasselbe, doch der reagierte auch nach Anruf auf Kanal 16 nicht.
Sofort wurde eine weitere Kursänderung vorgenommen und wieder wurde der andere gerufen, der nun ebenfalls mit einer Kursänderung reagierte.
Sollte es dann trotzdem zu einer Annäherung kommen, sollte man sich der Standard Marine Navigationel Vocabulary bedienen und vor allem den Abstand und die eigene Position nennen.
Einige geläufige Redewendungen sollte man sich merken:
I have located you on my radar, your position is ……degrees…….miles…..from……
Oder als Beispiel: Motor Vessel one and a half mile from me, bearing 112 degrees, my GPS position is 56 degrees, 12,3 Minutes North, 019 degrees, 22,7 minutes East. Is your Radar working?
Während der Atlantiküberquerung von Le Havre nach Kingston/Jamaika hatten wir auf “Monteverde” etwa zwanzig Schiffe ausgemacht, bei meiner ersten Atlantiküberquerung unter Segel mit Sway waren es fünf, bei der zweiten mit Nono waren es sieben.
Jetzt bin ich mir sicher, dass es heute nicht mehr Schiffe geworden sind, sondern dass wir auf den Segelbooten schlicht und einfach einige mehrere übersehen hatten.
Eine Brückenwache auf einem Großschiff besteht heute im freien Seeraum gewöhnlich aus einer Person. Da nebenher zahlreiche schriftliche Arbeiten während der Wache zu erledigen sind, übernimmt das Radar den Ausguck, wen das Radar nicht erkennt, wird höchstens zufällig entdeckt.
Nachdem ich weiß, dass auf vielen Charterschiffen Kanal 16, hauptsächlich nachts nicht eingeschaltet ist und ich dies an Bord erzählt habe, war man entsetzt.
Nach knapp 22 000 zurückgelegten Seemeilen, innerhalb von zweieinhalb Monaten auf einem Großschiff, weiß ich, wovon ich spreche. Dass Fahrtensegeln nicht ganz ungefährlich ist, war mir nicht neu, wie gefährlich es jedoch tatsächlich ist, wurde mir auf dieser Reise erst richtig bewusst.

Standard Marine Navigationel Vocabulary: Herausgegeben von der IMO (International Maritime Organization London Sales Number IMO-985E) sowie vom Bundesamt für Seeschiffahrt und Hydrographie Hamburg, zu beziehen über den Buchhandel Heft No 2113