Algerien 2009

Der lange Winter 2008/09 schrie geradezu nach einer Reise in wärmere Gegenden. Die Allerwelts Urlaubsgebiete Balearen und Kanaren schieden aus, ich hatte sie schon zu oft besucht. Nordafrika bot sich an, wieder half mir das Internet. Bei dem Reiseveranstalter Ikarus wurde ich fündig und buchte eine zweiwöchige Reise nach Südalgerien. Mein Sohn hatte mir abgeraten, mich einer Kameltour an zu schließen. „Vadder, wie ich dich kenne, schläfst du garantiert währen des Reitens ein und hast dann jede Chance, herunter zu fallen. Außerdem ist das nicht gut für dein Kreuz.“ Ich befolgte seinen Rat und buchte die Reise per Geländewagen. Nach den Erfahrungen der Ostafrikareise kaufte ich mir ein eigenes Zelt und für die große Canon Spiegelreflexkamera ein Vario Objektiv mit einer Brennweite von 28 bis 300 mm, beides entpuppte sich als gute Entscheidung. Algerien gilt wieder als relativ sicheres Reiseland, eine Boeing 737 800 brachte eine unternehmungslustige Gruppe per Nonstopflug mit einer Chartermaschine von Frankfurt nach Tamanrasset im Süden Algeriens. Erstaunlicherweise bestand die „Autogruppe“ aus vornehmlich Grauhaarigen, der jüngste Teilnehmer war 52, der älteste war bereits im 77sten Lebensjahr. Die meisten Teilnehmer kannten sich und hatten bereits einschlägige Wüsten Erfahrung. Unser erstes Ziel war der Assekrem(2.700m), ein absolutes Muss für alle Autotouristen in der Gegend von Tamanrasset. Unser Ziel war die Eremitage des Père du Foucould , die dieser dort vor fast hundert Jahren errichtet hatte, um seinem Schöpfer nahe zu sein. Es gibt verschiedene Versionen, wie und warum dieser Mönch erschossen wurde. Wir übernachteten 300 Meter unter dem Gipfel in einem Massenquartier, nicht ohne zuvor den Gipfel auf einem steilen Zickzack Weg bestiegen zu haben. Die Sicht in der untergehenden Sonne war echt grandios und belohnte die Mühen des Anstiegs. Tags darauf ging es zurück nach Tamanrasset, wo letzte Einkäufe getätigt wurden Dann begann die Reise in den Süden, Richtung Grenze des Landes Niger. Recht bald wurde die geteerte Straße in östlicher Richtung verlassen. Fünf geländegängige Fahrzeuge der Marke Toyota waren nun gefordert, mit allen möglichen Geländeformationen und deren Untergrund fertig zu werden. Immer wieder gab es kleine Pannen, die jedoch stets mit Bordmitteln behoben werden konnten. Die robusten Dieselmotoren hatten ihre größten Probleme mit der Elektrik, die mehr oder weniger provisorischen Lösungen hätten jedem deutschen TÜV Ingenieur das Grausen gelehrt. Natürlich gab es auch Reifen Probleme, doch auch die konnten die Tuareg Fahrer beheben. Nachdem pro Tag und Person nur 1,5 Liter Trinkwasser in Flaschen zur Verfügung standen, war eisernes Sparen angesagt. Zwar gab es unterwegs drei Quellen, dieses Wasser musste jedoch mit Certisil aufbereitet werden, was jedoch für die Teilnehmer der gesamten Gruppe kein Problem bereitete. Außer wirklichen Bagatellen gab es weder Krankheiten, noch Verletzungen. Lediglich der schwarze Küchenhelfer klagte über Schmerzen oberhalb der Hüfte. Es brauchte eine gewisse Zeit, bis der Koch uns verriet, dass er von einem der Autos angefahren wurde. Stets wechselte die grandiose Landschaft, mal war der Boden mit schwarzen Steinen übersät, dann gab es festen, grobkörnigen Sand, doch das Schönste war immer der honigfarbene Sand, der je nach Sonneneinstrahlung von tief dunklem Ocker bis nahezu weißer Farbe wechselte Entsprechend unterschiedlich abwechselnd war auch die Festigkeit des Sandes. Mehre male war der Einsatz des Untersetzungs Getriebes mit Sperrdifferenzial notwendig, um das Fahrzeug wieder frei zu bekommen. Der Koch hatte sich stets mächtig angestrengt und wurde für sein Engagement gelobt. Mit einfachsten Mitteln zauberte dieser Mann stets leckere Mahlzeiten, wobei natürlich Reis und Cous cous dominierten. Ich war nicht der Einzige, der sich mitunter ein kaltes Bier gewünscht hätte, doch das war Fehlanzeige und durch das Fehlen eines Kühlschrankes wäre dies ohnehin kein Genuss gewesen. Das Wetter machte immer wieder Kapriolen, ein echtes Gewitter mit Blitz und Donner stellte für die Sahara Region eine wirkliche Rarität dar. Verschiedene Teilnehmer der Gruppe hatte Probleme mit den Zelten, das Hauptproblem waren durch Sand verursachte Probleme mit den Reißverschlüssen. Der Sand war allgegenwärtig. Sand zwischen den Zähnen, in den Augen und Ohren war echt lästig. Sand in den Schuhen und damit auch zwischen den Zehen bereitete schmerzhafte Blasen. Meine Bemerkung, von Sand hätte ich für eine Weile genug, wurde mit missbilligenden Bemerkungen quittiert. „Hast du denn nicht gewusst, was da auf dich zukommt?“ Ich hatte es gewusst, in der Wüste Namib hatte wegen des Sandes sogar mein Camcorder seinen Dienst verweigert. Als sich meine Brillenbügel immer schwerer einklappen ließen, versuchte ich es zuerst mit Spucke, die Lösung war schließlich etwas Margarine, die ich in die Gelenke Mit meinem Einmann Zelt hatte ich einen guten Griff getan, es war trotz starken Regens wasserdicht geblieben, auch die beiden Sandstürme konnten ihm nichts anhaben. Mehrere Teilnehmer hatten Probleme mit weg geflogenen Zelten, die in der Nacht mittels Stirnlampen mühsam gesucht werden mussten. Hier war die Ursache regelmäßig zu wenig mit Steinen beschwerte Heringe, die in dem losen Sand nicht hielten. Nach einer Woche erreichten wir die Oasenstadt Djanet, wo wir unsere Vorräte, vornehmlich Trinkwasser ergänzen konnten. In einem recht schäbigen Hotel wurden für den Nachmittag zwei Zimmer gemietet, eins für die Damen, eins für die Herren. Das Hauptmotiv für die Anmietung war die Gelegenheit zum Duschen. Ich denke, den anderen ging es ebenso, wie mir, ich musste mich richtig überwinden, den Wasserhahn wieder zu zu drehen. Die nunmehr frischen Kleider waren ein Genuss, schade war, dass nach kurzer Zeit schon wieder alles verschwitzt war. Am späten Nachmittag ging es wieder weiter, nach kurzer Fahrt auf der mit Schlaglöchern übersäten Asphaltstraße ging es wieder in den Sand. Die nun folgende Strecke war erheblich häufiger befahren, als die bisher zurück gelegte. Zum Teil heftiges „Wellblech“ war die Folge. Diese Bodenformation entsteht, weil durch das Gewicht und die Vibration der darüber rollenden Fahrzeuge eine wellblechartige Struktur ausgebildet wird. Das Fahren ist dadurch unangenehm, laut und nervenaufreibend. Auch das Material wird durch die ständigen Vibrationsbewegungen stark beansprucht. Entweder das Fahrtempo liegt unter vierzig Stundenkilometer, oder es wird schneller gefahren, als achtzig. Alles was dazwischen liegt, erträgt man nur kurze Zeit, einigermaßen komfortabel wird es bei einem Tempo, schneller als hundert. Waren es zuvor nur vereinzelte Felsmalereien, häuften sich diese in der zweiten Woche und wir sahen Bilder dieser, bis zu 6000 Jahre alten Zeugnisse prähistorischer Höhlenmalerei.. Bis in die ersten Jahrhunderte n. Chr. fanden sich immer wieder Menschen, die die bestehenden “Aufzeichnungen” erweiterten. So ergibt sich ein einzigartiger geschichtlicher Abriss, der in beeindruckender Weise über Klimaänderungen, Tierzüge und die Evolution menschlichen Lebens in der Sahara zu erzählen weiß.. Tausende Bilder und Gravuren geben einen atemberaubenden historischen Blick auf den nordafrikanischen Lebensraum, dessen Pflanzenwelt und Tierwelt sowie die Lebensweise der dort siedelnden Menschen. Unser kundiger Tuareg Führer kannte bestens die Fundstellen, die Fotoliebhaber kamen so voll auf ihre Kosten. Die zahlreichen,. am Boden herumliegende Tonscherben und Artefakte rundeten das Bild ab. Nachdem die Ausfuhr dieser Zeugen uralter Zeit streng verboten ist, werden die Souvenirjäger ausgebremst. Die Felsformationen wurden immer bizarrer, mitunter hatte ich das Gefühl, auf einem anderen Planeten zu sein. Pünktlich erreichte wir am vorletzten Tag wieder Djanet, dasselbe Prozedere in demselben vergammelten Hotel wiederholte sich, die heiße Dusche war göttlich. Schnell waren noch ein paar Souvenirs eingekauft, stand die letzte Nacht im Zelt aus. Nahe des Flughafens wurde ein einigermaßen windgeschützter Platz gefunden und das letzte Abendessen gereicht. Dann ging es in die Federn, sprich Schlafsäcke. Morgens um vier Uhr waren alle auf den Beinen, unter dem Schein der Stirnlampen wurden die Zelte abgebaut und verstaut, schließlich wollten wir zeitig genug am Flughafen sein. Der Check in verlief zwar schleppend, aber ansonsten problemlos. Die Stichproben der Zöllner ergaben keine verbotenen Waren und mit nur wenig Verspätung landete der Flieger. Wieder war die Maschine gut belegt, die meisten Gesichter von vor zwei Wochen sahen sich wieder, die Sprache im Flugzeug war deutsch. Nach vier Stunden erreichten wir Frankfurt, das erste, eiskalte Bier schmeckte köstlich. Schon zuvor waren Adressen getauscht worden, als Gedanke im Hinterkopf für eine nächste Reise kristallisierte sich der Sudan heraus, mal sehen, ob sich das realisieren lässt. Es war eine wunderschöne Reise unter kundiger Führung.

Die Bilder der Algerienreise: http://picasaweb.google.de/hwrenz/Algerien#